Viele sehen in einem Barocksattel nur einen verspielten Sattel aus vergangenen Zeiten. Dabei ist die Konstruktion dieser Sättel nicht nur anders als die von englischen Sätteln, sondern ermöglicht dem Reiter auch eine andere Hilfengebung.
Es beginnt bereits bei der Formung der Sitzfläche. Denken wir uns die verzierten Galerien und die abgesteppten Sattelblätter einmal weg, bleibt der nackte Sattelsitz. Vergleichen wir nun die Sitzform des Barocksattels mit dem klassischen Englisch Sattel fällt sofort auf, dass sie sowohl in Längsrichtung als auch im Querschnitt anders ist.
Was sind die größten Unterschiede?
- Der Barocksattel definiert den Tiefpunkt des Reitersitzes nicht so stark
- Der Barocksattel lässt eine deutliche Unterscheidung zwischen rechtem und linkem Gesäßknochen zu
Die Sitzfläche des Barocksattels
Resultierend aus der Formung der Sitzfläche können wir ableiten, dass der Barocksattel dem Reiter mehr Freiheit bei der Wahl seiner Beckenposition lässt als der englische Dressursattel. Der Reiter muss sich also mehr darauf achten, sein Becken selbst in der gewünschten Position zu halten. Dafür kann er leichter auch ohne Einsatz von Schenkeln das Pferd Versammeln oder Verstärken. Dagegen fällt es in einem Barocksattel dem Reiter wesentlich leichter den inneren Sitzknochen zu belasten, sodass er sein Pferd besser über den Sitz biegen kann. Wobei ich als Sattler davon ausgehe, dass die Sitzhilfe des Reiters bis zum Knie verläuft und erst unterhalb vom Knie die Schenkelhilfe einsetzt.
Die teilweise sehr großen und ausladenden Galerien geben dem Barockreiter das Gefühl von Sicherheit. Ist der Barocksattel aber richtig angepasst, so soll der Reiter die Galerien genauso wenig berühren, wie der englisch Reiter die Pauschen. Wir können daher sowohl bei dem Kontakt zu Sattelpauschen, wie auch dem Kontakt zu Sattelgalerien von einer leichten Anlehnung oder einem fühlenden Schenkel sprechen. Genauso, wie wir es aus der feinen Hilfengebung her kennen. Denn auch im Barocksattel soll nichts den Reiter einengen oder ihn in eine unnatürliche Haltung bringen.
Die Sattelblätter des Barocksattels
Bei den meisten Barocksätteln fehlen Kniepauschen und die Sattelblätter sind, auch wenn sie optisch möglicherweise verziert sind eher einfach. Ein großer Unterschied zu anderen Sätteln ist, dass wir am Barocksattel oft abgesteppte Sattelblätter vorfinden. Nicht selten sind die Sattelblätter auch aus Rauleder. Das kann Nubukleder, Velours -oder Wildleder sein. Alle Rauleder fixieren das Reiterbein stärker als Glattleder. Je nach Reithose verstärkt sich der Effekt weiter. So hat man als Reiter mit einer Reithose aus Wildleder und einem Wildledersattel die größte Schenkelhaftung. Bei dem Grad der Schenkelhaftung kann man nicht sagen, dass mehr gleich besser ist. Es kommt vielmehr auf die Kombination von Reiter und Pferd an. Habe ich einen Reiter, der sehr geschickt über seine Sitzhilfen reitet und sein Pferd sehr feinfühlig darauf reagiert, ist die Wildlederkombi eine gute Option. Reitet aber derselbe Reiter ein junges Pferd, bei dem er beim Handwechsel oder beim Geraderichten deutliche Schenkelhilfen einsetzen muss, wäre es besser, wenn sein Bein ohne viel Widerstand am Sattelblatt die Position ändern kann. So ist er in diesem Fall mit einem Sattelblatt aus Glattleder und einer Jodhpurhose besser bedient.
Die Sattelkissen des Barocksattels
Früher waren die Sattelkissen von Barocksätteln oft sehr dick gepolstert. Heute ist das glücklicherweise anders. Trotzdem haben sie meist eine größere Auflagefläche als ein klassischer Englisch Sattel. Noch gravierender als die Größe der Auflagefläche ich die Form der Sattelkissen. Sie sind vorne nicht so tief heruntergezogen, dafür rahmen sie den Reiter auch von hinten ein. Außerdem gibt diese Art der Formgebung eine höhere seitliche Stabilität. Von der Bauart her unterscheiden sie sich zum normalen Dressursattel insofern, dass sie meist aus zwei einzelnen Teilen (rechts und links) bestehen. Das ermöglicht dem Sattler, ohne großen Aufwand Änderungen an der Breite des Kissenkanals vorzunehmen.
Fazit
Der Barocksattel ist ein Dressursattel für die klassische Reitkunst, in der großen Wert auf die primäre Sitzhilfe gegeben wird und das Pferd viel in Biegung und Seitengängen geritten wird.
Für den Barocksattel gelten die gleichen Passform-Regeln, wie für alle anderen Sättel auch.